SchmetterDINGE – vom Versuch sich selber Flügel zu verleihen
von Florian Feisel
Tag 5, Fr 12.4.2019
18:00 – 18:50 Uhr
FITZ!
Figurentheater, Installation
Performance, Text, Ausstattung: Florian Feisel
Grafik, Installationsgestaltung: Isabel Haas
Künstlerische Beratung: Gyula Molnàr
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Florian Feisel widmet sich in „SchmetterDINGE“ wie er selbst schreibt, der „Erforschung von Material und dem ihm innewohnenden Erzählpotential“. Dabei bringt er 2.756 Bruchstücke von Porzellanpuppen mit einer Sammlung verstorbener Insekten ins „Gespräch“, wird forschend zum Expeditionsleiter, und in gewisser Weise auch zum Protagonisten in der Welt der Dinge, die er in Anwesenheit des Publikums untersucht, auseinandernimmt, und neu anordnet. In diesem Prozess entstehen unerwartete Assoziationsräume und Fragmente von Geschichten, denen er gemeinsam mit dem Publikum unweigerlich und voller Enthusiasmus verfällt. Durch die offene Form, die eher einer Ausstellung, einer Lecture-Performance als einem geschlossenen Theaterabend gleicht, geraten die Zuschauer*innen immer wieder in die Situation, aus den Fragmenten und Assoziationen, eigene Geschichten zu fabrizieren. Die Tatsache, dass „Schmetterdinge“ einen fortwährend im Unklaren lässt, ob man sich etwa auf einer Ausstellung, in einem fiktiven wissenschaftlich-theatralen Forschungslabor befindet, im Kopf des Autors und Performers Florian Feisel, im „Kopf“ des betrachteten Materials, oder im eigenen, aktiviert auf die schönste Weise die Fähigkeit der Zuschauer*innen, selbst ins Zentrum der Erfindung zu geraten.
Gerne möchten wir Florian Feisel durch den Tanz- und Theaterpreis 2019 zu der Arbeit „SchmetterDINGE“ gratulieren und ihn zu weiteren „Materialuntersuchungen“ ermutigen. -Jury
Neben der Beschäftigung mit einer Sammlung von präparierten Schmetterlingen und Käfern, die als Vertreter der Gruppe der Holometabola zu Lebzeiten alle eine vollständige Metamorphose mit Puppenstadium durchliefen, geht es vor allem um ein Konvolut von 2756 Porzellanpuppenteilen.
Diese wurden von dem pensionierten Restaurator Günter Mirbach auf dem Gelände einer Porzellanmanufaktur im thüringischen Katzhütte aus dem Erdreich geborgen. Vor ca. 100 Jahren wurden diese Körperfragmente als Restposten bzw. Mangelware auf den Fabrikgelände aufgeschüttet und verbrachten die letzten zwei Weltkriege im Erdboden vergraben.
Auf der Suche nach den möglichen Ursachen der eigenen Verschüttung könnte diese Gemeinschaft (nennen wir sie Volk) auf Naturkatastrophen wie Wirbelstürme in Betracht ziehen. Als mögliche Ursachen solcher Unwetter könnten sie auf den sogenannten Schmetterlingseffekt stoßen. Wenn es möglich wäre, dass der Schlag eines Schmetterlings einen Wirbelsturm auslöst – wurde dann nicht auch die Verschüttung der Puppenpopulation seinerzeit womöglich von einem Schmetterlingsschlag ausgelöst? Wenn nun dieser Schmetterling in einem naturkundlichen Museum ausfindig gemacht würde – könnte sich dann nicht einer der versehrten Puppenkörper dieser Schmetterlingsflügel bemächtigen? Wenn nun Opferkörper und Täterkörper eine Symbiose eingehen, lässt sich dann nicht von einer Auflösung der Kausalität und von einer Verschmelzung der Zeitlichkeiten sprechen?
„SchmetterDINGE“ feierte im April 2017 im FITZ! Stuttgart Premiere. Außerdem wurde es 2018 als Gastspiel an der SCHAUBUDE Berlin gezeigt.
Florian Feisel, 1972 geboren, gelernter Schauspieler in Mainz, Studium der Puppenspielkunst in Berlin, seit 2002 als beruflicher Spieler mit eigenen Inszenierungen international gastierend, ab 2006 auch als freier Regisseur tätig, mit Schwerpunkt auf performativen Bühnenexperimenten. Seit 2012 mit einer halben Professur an den Studiengang Figurentheater in Stuttgart berufen, in der anderen Hälfte seines Berufslebens in der freien Szene als mit lectureperformances und theatralen Grenzgängen unterwegs.
Eine Koproduktion von Florian Feisel und FITZ! Stuttgart. In Kooperation mit SCHAUBUDE Berlin für die Weiterentwicklung der Ausstellungsobjekte.
Gefördert von: Landesverband Freie Tanz- und Theaterschaffende Baden-Württemberg e.V. aus Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg
Foto: Florian Feisel